Die "eingefangenen" Geräusche und Klänge der Stadt sind Gegenstand und Vorlage für die künstlerischen Selbstversuche der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler in der Welt der Musik und Komposition. Ein akustisches Ereignis wäre nicht ein Klang, wenn es in den Ohren des Betrachters nicht auch ganz anders klingen könnte. Diese Erfahrung der Veränderbarkeit von Tönen und deren indivuelle Gestaltung den SchülerInnen näher zu bringen, und gleichzeitig die fachliche Heranführung an die komplexen Tonbearbeitungstechniken am Computer zu gewährleisten, ist der KlangKünstler und Foley-Artist Clemens Endreß  von der Klangmanufaktur in Hamburg an unseren StadtKlängen beteiligt. Nachfolgend seine Betrachtung der auditiven Besonderheiten aus dem PilotProjekt der StadtKlänge in Itzehoe.

Von der Schönheit alltäglicher Geräusche

Als mich Thomas Engel für die künstlerisch-technische Unterstützung des ambitionierten Projekts “StadtKlang” anfragte, war ich schnell davon begeistert. Ein freies Field-Recording- und Klangkunstprojekt mit einer kleinen Gruppe motivierter Schüler wird durch die Inklusion sehbehinderter Teilnehmer aufgrund der verschiedenen Hörwahrnehmungen noch spannender. Generell ist die breite Mehrheit nicht sonderlich darin geschult, genau hinzuhören und die Geräusche und Atmosphären in ihrer Umgebung bewusst wahrzunehmen. Für Sounddesigner im Filmton ist das Segen und Fluch zugleich, da er so auf einer viel subtileren, manchmal unterbewussten Ebene Geschichten erzählen und Stimmungen erzeugen kann (andererseits denkt so mancher Kinobesucher bei “Filmton” erstmal nur an die Musik). So wie sich aber der geschulte Hörer in der Musik an dem speziellen Klang oder den Stimmen einzelner Instrumente erfreuen kann, ist es meiner Meinung nach auch ein erheblicher Mehrwert, die akustischen Details und Überraschungen unserer Umwelt zu entdecken. Bei Blinden ist die Wahrnehmung über das Hören natürlich wesentlich besser geübt, wobei sie aber, soweit ich mitbekommen habe, verständlicherweise vorrangig auf Informationsgewinnung ausgerichtet ist. Alle Hörereignisse werden also hauptsächlich danach bewertet, was sie z.B. zur Orientierung beitragen können, es geht im Alltag genau wie bei den Sehenden weniger um den Klang an sich. So war es also eines meiner Hauptanliegen, allen Teilnehmern ein wenig die Ohren zu öffnen und sie für die Vielzahl und Schönheit scheinbar gewöhnlicher, alltäglicher Geräusche zu begeistern. Außerdem galt es zu vermitteln, welche Klänge man am besten wie aufnehmen sollte, und was man hinterher mit ihnen machen kann. Bei den Field-Recording-Ausflügen konnten sich die Schüler dann im Umgang mit den verschiedenen Mikrofonarten, Aufnahmetechniken und -geräten üben und bereits viel lernen: Von den Vorteilen unterschiedlicher Richtcharakteristiken über Mono-/Stereomikrofonie bis zum Auspegeln der Signale. Warum Kopfhörer bei der Aufnahme so wichtig sind, warum auf Geräuschejagd gehen kann, und was es bedeutet, wirklich still zu sein. Auch wenn wegen des engen zeitlichen Ausschnitts (immer Montagnachmittag) von Itzehoes Klangpalette nur ein kleiner Teil eingefangen werden konnte, wurde von den verschiedensten Orten einiges an Material für den Schnitt gesammelt. Die sehr freie Aufgabenstellung bot hier zwischen Geräuschcollage und musikalischen Ansätzen reichlich Platz für die unterschiedlichen Vorlieben. Hinsichtlich Schnitt und Klangdesign gab es in kurzer Zeit viel zu lernen. Wie soll man die Geräusche kombinieren? Was kann man mit ihnen anstellen? Und warum ist es bei den unzähligen Software-Möglichkeiten von Vorteil, sich selbst zu beschränken?

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass das Projekt “StadtKlang” den Schülern viele neue Anreize geboten hat. Vielleicht will jemand tiefer einsteigen in die Arbeit mit Klang und Musik oder hat ein neues Hobby gefunden? Sicher werden einige öfter mal genauer hinhören und sich über besondere

Details in ihrer Umwelt freuen. Ganz bestimmt aber haben wir alle in der Gruppe viel erfahren über das Leben mit körperlichen Beeinträchtigungen.

 

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